Handlungsort/ Setting: Wien, New York
Projizierter Ort/ Projected place: Belgrad
Route: Westen-Osten
Handlungszeit/ Time of action: 2000
Marker: Klagenfurt
Wien
„Die kalte Nacht umhüllte uns, ich hatte das sichere Gefühl, nicht gesehen zu werden, als wir auf der Straße waren. Nikola war seit fünf Jahren in Wien, er ist des Krieges wegen nach Österreich geflüchtet um dem Militärdienst zu entgehen.“ (S. 13)
Klagenfurt
„Ich dachte, Klagenfurt sei eine Stadt, in der man alles bekommt, in der ich alles sein kann.“ (S. 57)
Belgrad
„Die Straßen Belgrads hatte ich anders in Erinnerung, sauberer und heller, eine Folge der durch den Krieg verursachten Sanktionen. Oder war es nur mein verfeinerter Sinn für das Schöne, meine Verwöhntheit, die mir in der Fremde, die jetzt mein Zuhause war, aneignete? Der Taxifahrer fragte mich aus, wo ich herkomme, was mich hierher führt, denn er spürte, dass ich nicht mehr eine von den seinen bin, durch meine Kleidung oder Sprache oder entsetzte Blicke, die umherschweiften, als ich die verkommenen und schmutzigen Straßen erblickte. Er wollte alle Einzelheiten wissen, und es gab keinen Weg, seiner Befragung nicht Folge zu leisten. Als er von der traurigen Angelegenheit erfuhr, bot er mir eine Zigarette an, die verdächtig nach Gras roch. Ich habe schon mal gehört, dass alle Menschen in Belgrad Marihuana züchten, weil sie sonst die Depression, die sich über die Stadt gelegt hat, nicht aushalten.“ (S. 32)
“Ich
weinte nicht wegen dem Großvater, nicht, weil die Stadt durch den Krieg, der
angeblich woanders stattfindet, so verkommen und verwüstet war, nicht weil ich
keine einzige Telefonnummer meiner alten Freunde hatte, die ich wählen konnte,
und sie mir deswegen in den Passanten erfinden musste, und das so erbärmlich
und beschämend empfand, sondern weil ich so viele Jahre habe verstreichen
lassen, ohne mir einzugestehen, wer ich bin und wo ich herkomme, weil ich alles
verdrängt habe, meine Familie und meine Freunde, meine Stadt, und die Straßen,
auf denen ich gespielt hatte, das alles tauschte ich gegen etwas anderes, gegen
etwas Glitzernderes und Bunteres. Doch nichts kann die Kindheit auslöschen,
das, was sie einem geschenkt oder geraubt hat. Und dafür habe ich schließlich
und endlich bezahlen müssen, ich habe Nikola verloren, und viele Jahre davor
habe ich Igor verloren. Und jetzt auch Großvater, der in seinem sturen
serbischen Stolz gestorben ist, ohne mir zu vergeben.” (S. 33)