Projektart: Postdoc

Code: PN – III – P1 – 1.1-PD-2021-0483

Dauer: 1.04.2022 – 31.03.2024

Gesamtbetrag des Projekts: 249.840 lei

PROJEKTBESCHREIBUNG

Der digitale Atlas literarischer Raumrepräsentationen der deutschsprachigen Literatur des Eastern turns schlägt einen interdisziplinären Zugang zu den Romanen ausgewanderter Autorinnen und Autoren aus Südosteuropa vor, indem er literaturwissenschaftliche Ansätze mit Forschungsansätze digitaler Kartographie verknüpft.

Er stellt eine bedeutende Ressource dar, um Forschungsfragen zu beantworten, die mit autor-, kontext- oder textfokussierten Analyseinstrumenten nicht untersucht werden konnten. Sein grundlegendes Ziel ist es, eine geografische Visualisierung bestehender Verbindungen zwischen Autoren aus Rumänien, Bulgarien, Serbien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina zu präsentieren und dabei die Relationen zwischen den literarischen Schwerpunkten, den Migrationsrouten, den Erinnerungsorten und den Bedeutungen aufzuzeigen, die dem Raum zugeschrieben werden.

Das Textkorpus liegt im Bereich dessen, was die amerikanische Germanistin Brigid Haines „The Eastern Turn in Contemporary German Literature“ bezeichnete. Es umfasst Romane von Schriftstellern aus dem ehemaligen Ostblock, die sich in den 1980er Jahren oder unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs im deutschsprachigen Raum niedergelassen haben, und  die deutsche Sprache für ihre Literatur auswählten. Die Texte decken poetische Raummetaphern auf, die sich über das Handeln von Figuren unterschiedlicher Enthnie künstlerisch gestalten, und mentale Landkarten von Eurozentrismus und Marginalität revidieren. Sie greifen das Phänomen der Migration als Grundlage für die Entstehung und Existenz aller Kulturen auf, gehen gegen vereinfachende Logiken von Identitätszuschreibungen ästhetisch vor und perspektivieren die Andersheit. Die Handlungsstränge ähneln einander und fügen vergleichbare Erzählmuster und Motive zusammen – das Motiv des „Dazwischen-seins“, die sich ständig bewegenden Figuren, das Erinnern des kommunistischen Alltags und der Entwurf der gesellschaftlichen Zustände nach der Wende.

Der gewählte Zeitraum erstreckt sich von 1990 bis 2022, eine Zeit, die von wechselnden und konkurrierenden Erinnerungskulturen geprägt war. Anfang der Neunziger Jahre sah sich die Literatur verpflichtet, den Opfern des kommunistischen Securitate-Apparats und den politischen Häftlingen ein Sprachrohr zu bieten. Es etablierte sich eine auf den Opfern fokussierte Erinnerungskultur, die in prägnanten Schmerzbildern die traumatischen Erfahrungen der Zeitzeugen offenbarte. Die Globalisierung und die Krisen nach der Jahrtausendwende brachten zusätzlich Stagnation und Rückschritt, sodass Ende der 1990er Jahre das Erinnerungsnarrativ des Kommunismus bedeutender Transformationen unterlag, wobei statt einer bedrohlichen Form des Erinnerns  eine wehmütige überwog. Der Atlas wird daher in einen zeitlichen Kontext platziert, der  das Geburtsjahr des Autors, den Zeitpunkt der Emigration oder das Erscheinungsjahr des Romans berücksichtigt.

Mit einem Untersuchungsinstrumentarium, das quantitative und computergestützte Methoden, wie GIS-Raumanalyse (Geokodierungswerkzeuge, die auf Google Earth-Karten oder Satellitenbildern aufbauen) verknüpft, zielt der digitale Atlas literarischer Raumrepräsentationen in der postkommunistischen deutschsprachigen Literatur des Eastern turns darauf ab, Schnittpunkte zwischen Handlungs- und Erinnerungsorten, zwischen den sozialen Charakteristika der Figuren und ihrer Platzierung im Raum, zwischen Räumen der Identitätsbehauptung oder Identitätsverlustes zu offenbaren. Dabei sollen sich wiederholende Muster und Geometrien grenzüberschreitend sichtbar werden.

Das Projekt ist als komplementäres Instrument zur Analyse der literarischen Texte zu verstehen und hofft, neue Perspektiven für weiterführende Studien zu eröffnen, die den Blick auf die Romane bereichern, indem sie bisher ungeklärte Fragen behandeln.

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