Handlungsort/ Setting: Nowo Selo, Bulgarien

Projizierter Ort/ Projected place: keiner

Route: keine

Handlungszeit/ Time of action: während des Kalten Kriegs

Marker: Russland

Dorf Nowo Selo in Bulgarien

„dröhnt der Lautsprecher auf dem Dorfplatz Volkslieder, Meldungen der Volksfront, der Weltpolitik, der Kooperative. Und immer wieder heißt es: der Kalte Krieg (…)Die Herde der Kooperative, die zum Grasen geführt wird, überflutet den Dorfplatz mit ihren braunen Leibern – eine Szene wie im Krieg. (S. 14)

„Ich sah die Winterlandschaft unseres Dorfes, die flachen, sanften Rundungen der Umgebung, mit Schnee bedeck.“ (S. 15)

„Die alte Frau saß auf einem Schemel vor der Haustür und strickte. Ihr Schoß, bedeckt mit einer schwarzen Schürze, war voll Flusen.“ (S. 16)

„Jedes Jahr wurde der Backofen von Maminka eigenhändig repariert und mit Pferdemist verputzt.“ (S. 21)

„Eines Tages kam Djado, mein Großvater, zufällig herein, volltrunken wie er es immer um jene Tageszeit war. Er sah Maminka zornig an, schimpfte auf die Kommunisten und ihre ganze Sippe.“ (S. 22)

„das Krähen der Hähne in Baba Penas Hof, das Gurren der Tauben im Geäst des wilden Nussbaumes unterm Fenster, die Stimmen der Frauen der Siebten Brigade, die sich im kurzen Schatten der Trauerweide mitten im Dorf versammelten, um mit Pferdekarren oder mit einem Laster aufs Feld gefahren zu werden; die Pfeife der Tante Mita, die ihre einzige Milchkuh zum Grasen trieb“ (S. 23)

„Wir gingen in Richtung Blindengasse. Die Blindengasse war voll mit Brennnesseln und Kamille. Maminka kochte die beste Brennnesselsuppe, die ich je gegessen habe.“ (S. 30)

„Maminka und ich waren fast jeden Tag unterwegs, auf der Suche nach Kamille und Brennnesseln, auf dem Weg zum Lebensmittelgeschäft oder auf dem Weg zum Feld, wo Djado viele Tage verbrachte und den Plan der Kooperative zu erfüllen versuchte.“ (S. 69)

Dorfbibliothek

„Der Weg zur Dorfbibliothek ging am Lebensmittelgeschäft vorbei. Eine lange Schlange wartete auf … auf was? Ja, sie warteten auf Gummiringe für die Einmachgläser; gerade war eine Fuhre aus der Stadt gekommen. Der Winter nahte.” (S. 17)

„Jeden Abend saßen die Frauen der Nachbarschaft auf der Straße. Manche setzten sich auf den Bürgersteig, andere auf die Bank vor unserem Haus. Es wurde gesponnen, gestrickt, aufgeribbelt, genäht; Kirschen wurden entsteint, Marmeladenrezepte besprochen, Hochzeiten geplant.“ (S. 47)

„Vor der Dorfbibliothek wirbelte der Wind lauter Staubwolken auf. Sie liegt an einer Kreuzung. Zwei Stufen über der Straße und schon war man im Lese- und Ausleihsaal. Hier war es dunkel, kühl und still, und es gab keinen anderen Platz im Dorf, an dem ich mich lieber aufgehalten hätte. Links – der lange Tisch mit den Zeitungen. (…)Der Raum faszinierte mich. Rechts an der Wand die Kinderbücher und alles, was Jugendliche lesen durften. Quer im Raum – der Schreibtisch des Bibliothekars Bate Stefan.“ (S. 62)

das Dorfhaus

„Die Sommerküche war ein dunkles, aus Lehmwänden und zwei winzigen Fenstern bestehendes, viereckiges Loch. Eine Höhle, in der die Gerüche meiner Kindheit dicht aufeinanderprallten, einander bekämpften und durchdrangen.“ (S. 23)

„Jedes Mal, wenn ich das »andere Zimmer« betrat, hielt ich den Atem an. Es war wirklich anders als alle anderen Zimmer. Es war stets aufgeräumt und wurde nur dann betreten, wenn Maminka etwas aus ihrer Hochzeitstruhe holen musste oder wenn Gäste da waren. Meine Eltern schliefen immer dort, wenn sie uns besuchten.” (S. 26)

„Unser Haus sieht so geheimnisvoll aus, als wir es verlassen, dass es mich einen Augenblick lang schaudert. Der Mond scheint so grell auf uns herunter, dass ich mich dicht an der Wand entlang bewegen möchte, aber das Dunkel stößt mich ab, und ich bleibe lieber im Mondpfad. (…)Ehe wir in die Blindengasse einbiegen, drehe ich mich ein letztes Mal um. Unsere Schatten reichen bis zum Haus zurück, als wollten sie uns an die Mauer binden. Es ist hell wie am Tag. Schnell in die Blindengasse, dass uns bloß keiner sieht!“ (S. 129)

 der Kindergarten auf dem Dorf

„Ich bin nie richtig in den Kindergarten gegangen. Ich wollte nicht. Dann, auf einmal, wollte ich doch, aber dann durfte ich nicht: Du darfst nicht, weil deine Eltern nicht in der Kooperative sind. Für mich gab es einen Platz in einem Kindergarten in der Stadt, versicherte mir Maminka, aber ich konnte nicht den Platz eines anderen Kindes aus dem Dorf einnehmen. Alle, Plätze und Kinder, waren gezählt, und es gehörte sich nicht, dass ein Kind bei den Großeltern lebte, wo doch seine eigenen Eltern in der Stadt arbeiteten und lebten“ (S. 36)

„Der Kindergartenhof ist weitläufig. Kleine Sträucher teilen ihn, grenzen den Gemüsegarten ab, in dem stets eine der Kindergärtnerinnen wühlt. Eine niedrige Steinmauer trennt Kindergarten und Kirchhof. Hinter der niedrigen Steinmauer das fleißige Geräusch einer Harke.“ (S. 37)

das Haus der anderen Großmutter

„Ihr Haus war für mich jahrelang der Inbegriff eines großen städtischen Hauses, obwohl es im Dorf stand. Es war sauber, kühl, ordentlich, mit einer Freitreppe, Kacheln davor, und mit einer richtigen Holztreppe innen, die zum Obergeschoß führte. Es gab dort große Schränke mit dunkler Politur und winzigen gehäkelten Deckchen darauf, es gab sogar Blumen in Blumentöpfen, die ich kaum kannte. An unseren Fensterbänken in der Stadt würde nicht mal Unkraut gedeihen, seitdem uns das neue Wohnhaus vors Fenster gebaut worden war.“ (S. 51)

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